Cloud statt Chaos: So meistern Sie die Migration Ihres Qualitätsmanagements

QM | Qualitätsmanagement
Martin Atteneder

Das Qualitätsmanagement in die Cloud zu migrieren klingt nach einem logischen Schritt in Richtung Zukunft: Zentrale Dokumentenlenkung, ortsunabhängiger Zugriff, mobile Nutzung und flexible Skalierung – all das verspricht mehr Effizienz und Transparenz. Doch die Realität vieler Organisationen sieht anders aus. Statt digitalem Aufbruch herrscht Unsicherheit: Prozesse sind unklar, Strukturen fehlen, und technische wie organisatorische Stolpersteine gefährden nicht nur den Projekterfolg, sondern auch die Datensicherheit und Compliance.

Fehler bei der Migration können teuer werden. Und lassen sich meist vermeiden, wenn man weiß, worauf es ankommt. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche typischen Fallstricke Unternehmen bei der Cloud-Migration ihres Qualitätsmanagements erwarten und wie Sie diese mit erprobten Maßnahmen gezielt umgehen. Für alle, die nicht nur digitalisieren wollen, sondern dabei auch Qualität neu denken.

Zwischen Alt-System und Cloud-Vision: Ein Blick auf die Ausgangslage

Viele Unternehmen arbeiten noch mit klassischen QM-Systemen: SharePoint On-Premises (z. B. 2013/2016/2019), Netzlaufwerke, InfoPath-Formulare, Nintex-Workflows oder proprietäre Alt-Systeme. Die IT-Landschaft dahinter ist meist historisch gewachsen, fragmentiert und schlecht dokumentiert.

Der Anstoß zur Cloud-Migration kommt häufig durch externe Faktoren, etwa Microsofts Roadmap (z. B. End of Support) oder strategische Digitalisierungsziele im Unternehmen.

Die große Herausforderung: Bestehende Strukturen, Workflows, Dokumentationen und Compliance-Anforderungen sollen in der Cloud nicht nur erhalten, sondern idealerweise verbessert werden. Doch genau hier liegen viele Fallstricke.

Typische Stolperfallen bei der Cloud-Migration

Die Cloud-Migration eines QM-Systems bringt nicht nur technische Herausforderungen mit sich. Sie betrifft Prozesse, Menschen, Sicherheitsanforderungen und die gesamte Organisation. Wer hier ohne Weitblick und Planung vorgeht, läuft Gefahr, bestehende Probleme einfach in die neue Welt zu übertragen oder sogar gänzlich neue zu schaffen. Zwei Fehlerbereiche treten dabei besonders häufig auf: Strategie und Security. 

Fehlende Strategie und unklare Zielarchitektur

Statt einer gezielten Neugestaltung wird das bestehende System oft einfach in die Cloud verschoben („Lift & Shift“), samt veralteter Prozesse, unpassender Strukturen und technischer Altlasten. Eine übergreifende Architektur fehlt, spezifische Anforderungen aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen oder Regulatorik werden nicht berücksichtigt.

Hinzu kommt: Wesentliche Stakeholder wie QM, IT, Datenschutz oder Fachbereiche werden oft zu spät eingebunden. Das führt zu Widerständen, Missverständnissen und einer Lösung, die niemand wirklich will.

Mein Tipp: Schaffen Sie ein gemeinsames Zielbild von Business und IT, eine strukturierte Roadmap sowie klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten. Nur so entsteht eine tragfähige, zukunftsfähige Cloud-Architektur für das Qualitätsmanagement.

Sicherheits- und Compliance-Fallen

Ein häufiger Irrtum: Die Cloud wird als „automatisch sicher“ betrachtet. Tatsächlich bleiben viele QM-relevante Dokumente unklassifiziert und ungeschützt, wenn keine gezielten Maßnahmen getroffen werden. Häufig werden bestehende Berechtigungen aus dem Altsystem 1:1 übernommen, ohne zu prüfen, ob diese in der Cloud-Umgebung überhaupt sinnvoll oder sicher sind.

Das Ergebnis: unübersichtliche Berechtigungsstrukturen, unkontrollierte Zugriffe und ein erhebliches Compliance-Risiko, gerade bei sensiblen QM-Dokumenten.

Mein Tipp: Implementieren Sie ein klares Sicherheitskonzept, das gezielt auf folgende Maßnahmen setzt: 

  • Sensitivity Labels für vertrauliche Inhalte;
  • DLP-Richtlinien zur Vermeidung unbeabsichtigter Datenabflüsse;
  • Conditional Access, um externe Zugriffe gezielt abzusichern;
  • Ein konsistentes Governance-Framework mit regelmäßigen Bewertungen von Zugriffsrechten und Compliance-Vorgaben.

QM in die Cloud: 5 technische Herausforderungen bei der Migration

Neben strategischen und organisatorischen Stolperfallen bringt die Migration von QM-Systemen in die Cloud unter anderem auch eine Reihe technischer Hürden mit sich. Veraltete Technologien, komplexe Abhängigkeiten und individuelle Eigenentwicklungen erfordern eine sorgfältige Planung und in vielen Fällen kreative Lösungen.

1. SharePoint-Migration: Altlasten richtig handhaben

Beim Wechsel von SharePoint On-Premises zu SharePoint Online zeigen sich schnell technische Grenzen. Serverseitiger Code, Timer Jobs oder alte Sandbox-Solutions sind in der Cloud nicht mehr lauffähig. Auch InfoPath-Formulare und Nintex-Workflows gelten als veraltet oder werden nicht mehr unterstützt.

Die Lösung: Eine gezielte Modernisierung, z. B. mit SPFx-Komponenten (SharePoint Framework), der Power Platform (Power Automate, Power Apps) und die konsequente Nutzung nativer SPO-Funktionen. Für die eigentliche Migration bieten sich bewährte Tools wie ShareGate, AvePoint oder der Microsoft Migration Manager an.

2. Domainmigration & Identitäten: Berechtigungen sichern

Ändern sich im Zuge der Migration Benutzerkonten, UPNs oder E-Mail-Adressen, besteht das Risiko, dass Zugriffsrechte verloren gehen – insbesondere bei Dateien mit Historie („Modified By“, „Created By“). Ohne sorgfältige Planung droht ein Verlust wichtiger Informationen und eine massive Unterbrechung von Workflows.

Die Lösung:

  • Nutzung von Azure AD Connect und Hybrid Identity;
  • Klare Mappings und automatische Weiterleitungen (z. B. bei E-Mail-Adressen);
  • Eine ausführliche Testphase sowie frühzeitige, transparente Kommunikation mit den Nutzern.

3. Suchergebnisse im Griff: Hybrid Search managen

In der Übergangsphase, wenn Inhalte sowohl in SharePoint On-Prem als auch in SharePoint Online liegen, entstehen oft inkonsistente oder unvollständige Suchergebnisse, was den Nutzern die Arbeit erschwert.

Die Lösung: Die Implementierung von Cloud Hybrid Search mit einem zentralen Suchindex in Office 365. Voraussetzung: Ein konfiguriertes Search Service Application (SSA) und die Anbindung an den Azure Search Service.

Mein Tipp: Migrieren Sie in Wellen und priorisieren Sie relevante Inhalte. Nicht alles muss „eins zu eins“ mitgenommen werden.

4. FileShare-Migrationen: Ordnung vor Umzug

Netzlaufwerke sind oft Sammelbecken für veraltete, doppelte oder unstrukturierte Daten. Eine Migration ohne vorherige Bereinigung führt zu schlechter Auffindbarkeit benötigter Informationen und unnötiger Datenlast in der Cloud.

Die Lösung:

  • Vorab-Analyse mit Tools wie TreeSize oder Robocopy;
  • Strukturierte Migration über Mover.io, ShareGate oder Microsoft-eigene Tools;
  • Einführung eines Metadatenmodells sowie automatisiertes Tagging für bessere Wiederauffindbarkeit.

5. Individuelle Anforderungen: Wenn Tools an ihre Grenzen stoßen

Nicht jede Migration lässt sich mit Standardtools umsetzen. Gerade bei individuell entwickelten QM-Systemen, komplexen Workflows oder proprietären Datenstrukturen braucht es maßgeschneiderte Ansätze.

Die Lösung: Entwicklung kundenspezifischer Migrationsskripte, etwa mit PowerShell oder .NET, die genau auf die Systemlandschaft und fachlichen Anforderungen abgestimmt sind. In solchen Fällen ist die Zusammenarbeit mit erfahrenen Entwicklern und Software-Architekten unerlässlich.

Spezifika im digitalen Qualitätsmanagement

Die Cloud-Migration eröffnet die Chance, Qualitätsmanagement nicht nur digital abzubilden, sondern grundlegend zu modernisieren. Statt alte Prozesse eins zu eins zu übertragen, lohnt es sich, etablierte Abläufe neu zu denken.

QM-Prozesse neu gestalten

Digitale Tools wie Power Automate und Power Apps bieten ideale Voraussetzungen, um klassische QM-Prozesse zeitgemäß abzubilden:

  • Freigaben, Prüfzyklen und Eskalationen lassen sich als automatisierte Workflows in Power Automate flexibel umsetzen.

  • Abweichungsmeldungen, KVP-Formulare oder Lieferantenfeedbacks können in Power Apps mobil und rollenbasiert gestaltet werden.

  • Ein zentrales QM-Handbuch mit gezielter Navigation, Zielgruppensteuerung und geregeltem Zugriff in SharePoint Online schafft Übersicht.

Das Ergebnis: mehr Transparenz, kürzere Durchlaufzeiten und höhere Nutzerakzeptanz.

Versionierung und Audit-Sicherheit

Im digitalen QM gelten höchste Anforderungen an Nachvollziehbarkeit und Revisionssicherheit, etwa gemäß ISO 9001 oder IATF. Um den Vorgaben dieser Normen gerecht zu werden, sollten QM-Verantwortliche insbesondere diese Schritte setzen:

  • Versionierung in SharePoint Online aktivieren (Haupt- und Nebenversionen);
  • Genehmigungsprozesse lückenlos dokumentieren;
  • Änderungshistorie, Zeitstempel und Bearbeiterdaten erfassen;
  • Archivierungsrichtlinien mit Microsoft Retention Policies umsetzen.

Auf diese Weise bleibt das System auditfähig und erfüllt regulatorische wie interne Anforderungen dauerhaft und verlässlich.

Best Practices: So gelingt die QM-Migration in die Cloud

Jede Cloud-Migration ist individuell. Doch aus realen Projekten lassen sich wertvolle Muster und Erfolgsfaktoren ableiten. Zwei Beispiele aus der Praxis zeigen, wie unterschiedliche Ausgangslagen zu tragfähigen, zukunftsfähigen Lösungen führen.

Beispiel 1: Industriegruppe – Werk für Werk in die Cloud

Ein international tätiger Industriekonzern hat sich für eine schrittweise Migration je Werk entschieden. Statt das gesamte QM-System auf einmal zu verlagern, wurde Standort für Standort einzeln in die Cloud überführt,  jeweils mit klar definierten Verantwortlichkeiten, lokaler Unterstützung und einem zentralen Governance-Modell im Hintergrund.

Das Ergebnis: hohe Akzeptanz in den Werken, strukturierte Umsetzung und eine stabile Gesamtarchitektur ohne Kontrollverlust.

Beispiel 2: Mittelständisches Unternehmen – Daten zuerst, Prozesse später

Ein mittelständisches Unternehmen hat für die Migration einen pragmatischen Zugang gewählt: Zunächst wurden FileShares in die Cloud überführt, inklusive Struktur, Dateiinhalten und erster Metadaten. Erst in einer zweiten Phase folgte die Digitalisierung der Prozesse – etwa Freigaben, Prüfungen oder Eskalationen – mithilfe der Power Platform.

Dieser Ansatz schuf früh Transparenz über die Datenbasis und erlaubte eine gezielte Modernisierung von Prozessen mit einem realistischen Zeitplan und klaren Prioritäten.

Von erfolgreichen Migrationen lernen: Die entscheidenden Faktoren

Erfolgreiche Migrationsprojekte folgen nicht dem Zufall, sondern klaren Prinzipien. Diese vier Aspekte spielen in der Praxis eine wichtige Rolle:

  • Erst analysieren, dann migrieren: Eine fundierte Bestandsaufnahme spart späteren Aufwand, insbesondere bei Altlasten, Rechten und Strukturen.
  • Power User einbeziehen: Fachabteilungen wissen oft besser als die IT, wie mit dem System gearbeitet wird. Ihre Perspektive ist entscheidend für die Praxistauglichkeit.
  • Berechtigungen und Metadaten nicht unterschätzen: Wer hier von Anfang an sauber arbeitet, verhindert späteres Chaos.

Mit einer Pilotphase starten: Ein klar umrissener „Proof of Concept“ senkt Risiken, schafft Vertrauen und liefert wertvolle Erkenntnisse für die breite Umsetzung.

Fazit: Cloud-Migration als Chance für modernes Qualitätsmanagement

Die Migration eines QM-Systems ist nicht nur ein technisches Projekt, sondern auch ein Impuls zur organisatorischen Weiterentwicklung. Wichtig ist: Nicht alles muss 1:1 übernommen werden. Wer die Möglichkeiten der Cloud gezielt nutzt, schafft echten Mehrwert. Sicherheit, Compliance und klare Zuständigkeiten sollten dabei frühzeitig berücksichtigt werden. Kleine, gut gesteuerte Schritte mit hoher Transparenz sorgen für nachhaltigen Erfolg, ebenso wie die Einbindung von Power Usern aus den Fachbereichen.

Bei komplexen Themen wie Suche, Berechtigungen oder Automatisierung lohnt sich auch der Blick nach außen. Denn das technische Know-how eines erfahrenen Partners macht im Hinblick auf eine effiziente, sichere und nachhaltige Migration oft den entscheidenden Unterschied.

Sie planen die Cloud-Migration Ihres QM-Systems? Sprechen Sie mit uns. Wir stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.

Martin Atteneder
Martin Atteneder

Seit 2016 sorgt Martin Atteneder bei corner4 mit seinem Infrastruktur-Team dafür, dass Systeme ordentlich aufgesetzt, betrieben und bei Bedarf migriert werden.

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