Microsoft Copilot in der Praxis: KI zwischen Marketing und Machbarkeit

KI | Microsoft
Jürgen Sadleder, MA

Künstliche Intelligenz ist in der Wirtschaftswelt das neue Zauberwort und Microsoft steht mit Copilot & Co. ganz vorne, wenn es um den Anspruch geht, den modernen Arbeitsplatz zu revolutionieren. Die Botschaft ist klar: mehr Effizienz, weniger Routinearbeit, mehr Raum für Innovation. Doch während die Marketingfolien glänzen und die Erwartungen in den Chefetagen steigen, bleibt eine entscheidende Frage offen: Wie viel davon ist heute schon Realität und wo endet die Vision?

In diesem Beitrag trennen wir Hype und Praxis. Ich zeige Ihnen, was Microsofts KI-Tools aktuell wirklich leisten, wo ihre Grenzen liegen und wie Ihr Unternehmen die aktuellen Möglichkeiten der KI voll ausschöpfen kann.

Das große Versprechen: KI als Assistent für alle

Mit Copilot hat Microsoft eine klare Vision: Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsalltag in Word, Excel, Outlook, Teams & Co. revolutionieren. Von der Führungskraft bis zum Sachbearbeiter – jeder soll von kontextbezogenen Vorschlägen, personalisierter Hilfe und einer nahtlosen Integration in die bekannte Microsoft 365-Welt profitieren. „Copilot ist da, wo Sie arbeiten“ – so das Versprechen.

Die Botschaft klingt verlockend: Weniger Zeit für Routineaufgaben, mehr Freiraum für strategische und kreative Arbeit. Zudem soll alles sicher, compliant und datenschutzkonform direkt in die vertraute Microsoft-Umgebung eingebettet sein. Kein Wunder also, dass bei Vorständen und Bereichsleitern die Erwartungen hoch sind.

Doch die Praxis zeigt ein differenzierteres Bild: Die erhofften Effizienzgewinne bleiben bislang oft hinter den großen Versprechen zurück. Trotz KI-Unterstützung ist die Arbeitsintensität vieler Teams nicht spürbar gesunken und die erhoffte Zeitersparnis ist noch nicht eingetreten. 

Praxis-Check: Anwendungsbereiche, wo Microsoft KI-Lösungen schon heute überzeugen

Unsere Erfahrungen zeigen: Microsoft Copilot und Co. liefern in vielen Bereichen bereits echten Mehrwert, solange die Aufgaben klar umrissen sind und die Datenbasis stimmt. 

Text, E-Mail & Kommunikation

Copilot schreibt schnelle Entwürfe in Word und Outlook, fasst Teams-Meetings zusammen und erkennt To-dos. Anwender können Prompts ohne Coding-Kenntnisse in einfacher Sprache formulieren.

Ein Beispiel: Für ein internes Newsletter-Update liefert der Copilot innerhalb von Sekunden einen ersten Entwurf, der nur noch gekürzt und angepasst werden muss.

Realitätscheck: Sehr alltagstauglich bei einfachen Themen. Für beispielsweise juristische oder stark technische Texte braucht es aber weiterhin gezielte Nacharbeit.

PowerPoint & Präsentationen

Copilot liefert ein solides Grundgerüst mit rotem Faden für Präsentationen – auch für große Decks mit mehr als 60 Folien. Passende, datenschutzkonforme Bilder und Icons sind inklusive.

Beispiel: Für eine Bereichspräsentation erstellt Copilot Struktur, Kapitel und Visuals. Anschließend braucht es nur noch eine Anpassung der Argumente sowie ein Schärfen der Story durch einen Mitarbeiter. 

Realitätscheck: Deutliche Zeitersparnis im Entwurf. Storytelling und Feinschliff bleiben jedoch Handarbeit.

OneNote & Wissensorganisation

Notizen werden automatisch strukturiert und Kunden oder Themen zugeordnet – besonders praktisch für mobiles Arbeiten. Außerdem kann der Copilot auch Zusammenfassungen oder Aufgabenlisten erstellen.

Beispiel: Ein Sprachmemo aus dem Kundentermin wird zu einer übersichtlichen Zusammenfassung mit To-dos verdichtet.

Realitätscheck: Mehr Überblick, weniger Tipparbeit. Einzelne Fehler können jedoch nicht ausgeschlossen werden – eine manuelle Prüfung bleibt daher unerlässlich. 

Aufgabenmanagement & Projektsteuerung (Planner, To Do, Loop, Teams)

Copilot erstellt automatisch Aufgaben aus Besprechungsnotizen oder E-Mails, inklusive Verantwortlichen und Fälligkeitsterminen.

Beispiel: „Peter übernimmt das Reporting bis Freitag“ wird korrekt als Planner-Task angelegt und ebenso eine Erinnerungsfunktion.

Realitätscheck: Gut für einfache Arbeitspakete. Bei komplexeren Abhängigkeiten oder unklaren Zuständigkeiten („Peter UND Anna kümmern sich“) wird es schnell unübersichtlich.

Wissensmanagement & Suche

Copilot beantwortet Fragen wie „Wie läuft die Budgetfreigabe?“ direkt in Outlook oder Teams. Er greift dabei auf Richtlinien, Wikis und Intranet-Seiten zu und verweist dabei via Links zu den Originalquellen.

Realitätscheck: Sehr hilfreich für neue Mitarbeiter oder wenn Wissen rasch bereitgestellt werden muss. Aber: Inhalte und Berechtigungen müssen sauber gepflegt sein. Bei komplexen Kontexten stößt die KI an ihre Grenzen.

Kundenkommunikation & CRM 

Copilot fasst Kundengespräche zusammen, schlägt Follow-ups vor und erstellt Angebotsgrundlagen. Für Kundenbetreuer ein wertvoller Zeitgewinn.

Beispiel: Nach dem Call steht sofort eine strukturierte Follow-up-Mail mit den Painoints bereit. Der zuständige Vertriebsmitarbeiter muss nur noch den Ton und die Details anpassen.

Realitätscheck: Hilfreich, aber nur bei gepflegten CRM-Daten wirklich effektiv. Ohne persönliche Note wirkt die Kundenansprache wie ein liebloses Massenmailing.

IT-Support & interne Service-Chatbots 

FAQ-Bots beantworten Standardfragen wie „Wie buche ich Reisekosten?“ zuverlässig und entlasten so den 1st-Level-Support.

Realitätscheck: Spürbare Entlastung, aber keine komplette Automatisierung. Ohne angebundene Workflows kann die KI keine Fälle selbst lösen.

Wo Microsofts KI (noch) nicht hält, was das Marketing verspricht

So hilfreich Copilot in vielen Alltagssituationen ist: In einigen Bereichen sind die Versprechen größer als das, was in der Praxis aktuell möglich ist.

Excel & Datenverarbeitung

Gerade bei komplexen Berechnungen zeigt sich schnell: Copilot klingt oft überzeugend, aber nicht immer ist das Ergebnis korrekt. Formeln werden falsch interpretiert, Analyse-Vorschläge bleiben an der Oberfläche und liefern selten tiefere Einblicke.

Beispiel: Wer eine komplizierte Umsatzanalyse erstellen will, muss die Anforderungen so präzise beschreiben, dass er sie de facto schon selbst gelöst hat.

Realitätscheck: „Klingt plausibel“ ist nicht gleich „stimmt auch“. Die Fehleranfälligkeit ist hoch, wenn Ergebnisse nicht kritisch überprüft werden.

Datenschutz & Governance

Viele Unternehmen wiegen sich in Sicherheit, weil Microsoft als vertrauenswürdiger Anbieter gilt. Doch ohne eigene Richtlinien und technische Absicherungen kann es leicht passieren, dass sensible Daten über Teams oder SharePoint freigegeben werden, wo sie nicht hingehören.

Beispiel: Ein Team teilt versehentlich vertrauliche Dokumente in einem offenen Kanal, weil niemand die Berechtigungen konsequent überprüft hat.

Realitätscheck: Governance und Compliance kommen nicht „out of the box“. Mit dem neuen EU AI Act muss jedes Unternehmen selbst beurteilen, welche Regeln gelten und entsprechende Prozesse aufsetzen.

Fachlogik & Branchenspezifika

Copilot versteht Rollen, wenn man sie ihm zuweist, aber keine komplexen Fachprozesse oder branchenspezifischen Anforderungen. Eine Vertrags– oder QM-KI bleibt ohne zusätzliche Konfiguration blind für interne Richtlinien.

Beispiel: Ein Copilot-Entwurf für einen Liefervertrag beachtet keine unternehmensinternen Freigabeprozesse, solange diese nicht explizit angebunden sind.

Realitätscheck: Jedes KI-System kann um individuelle Anforderungen erweitert werden. Doch der Aufwand ist oft höher als der Nutzen. Viele Funktionen werden schon bald standardmäßig verfügbar sein, sodass große Investitionen in individuelle Anpassungen schnell verpuffen können.

5 Typische Stolperfallen beim KI-Einsatz

Viele Unternehmen starten mit großen Erwartungen in ihre ersten KI-Projekte und laufen dann doch immer wieder in dieselben Fallen. Das bremst nicht nur den Nutzen, sondern oft auch die Akzeptanz der neuen Technologie. Besonders häufig sehen wir:

1. Übertriebene Erwartungen
Viele Fachbereiche erwarten von Anfang an ein „Wunderwerkzeug“, das komplexe Aufgaben auf Knopfdruck löst. Die Realität ist oft bodenständiger und erfordert Geduld, Übung und klare Ziele.

2. Fehlendes Prompt-Wissen
Wer nicht weiß, wie man Fragen richtig stellt, bekommt schwache Ergebnisse. Gute Prompts sind der Schlüssel für präzise Antworten.

3. Keine klaren Pilotprojekte
Ohne fokussierte Tests fehlt der Lerneffekt. Unternehmen, die direkt „flächendeckend“ starten, sammeln weniger Erkenntnisse und stoßen schneller an Frustgrenzen.

4. Lizenzkosten ohne Blick auf Nutzung
Lizenzen sind nicht billig. Wenn Unternehmen die Kosten und den tatsächlichen Nutzen nicht im Blick behalten, wird der Einsatz von KI schnell einmal zur teuren Kostenfalle.

5. Schulungslücken bei Nutzern und Admins
Viele wissen schlicht nicht, wie sie Copilot richtig einsetzen oder administrieren sollen. Fehlen Training und interne Ansprechpersonen, verpufft ein Großteil des Potenzials.

Mein Tipp: Ob ein Unternehmen heute schon echten Mehrwert aus KI zieht, hängt primär davon ab, wie realistisch die Erwartungen an die Technologie sind und wie gut Anwender und Admins für die Arbeit mit Copilot & Co. geschult sind. 

Mein Fazit: KI-Erfolg braucht klare Rahmenbedingungen

Microsoft liefert mit dem Copilot und anderen KI-Werkzeugen leistungsfähige Bausteine für den modernen Arbeitsplatz. Doch sie sind kein Selbstläufer. Produktive Ergebnisse entstehen nur, wenn Unternehmen realistische Erwartungen haben, Pilotprojekte bewusst steuern und ihre Mitarbeiter gezielt schulen.

Ohne diesen Rahmen bleibt die KI schnell hinter ihren Möglichkeiten. Mit einer klaren Strategie und der richtigen Herangehensweise kann sie jedoch schon heute echte Effizienzgewinne bringen und den Grundstein für künftige Innovationen legen.

Starten Sie Ihr KI-Projekt mit einem klaren Plan und einem erfahrenen Partner an Ihrer Seite. Wir unterstützen Sie gerne dabei. Kontaktieren Sie uns einfach für ein unverbindliches Kennenlerngespräch.

Jürgen Sadleder, MA
Jürgen Sadleder, MA

Jürgen Sadleder ist seit März 2016 Geschäftsführer bei corner4. Mit jahrelanger Erfahrung als Projektmanager und breit gefächertem Prozesswissen unterstützt Jürgen Kunden in den Bereichen Softwareentwicklung, Business Intelligence und Microsoft 365.

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